C15 SAMMLUNG ULLA UND HEINZ LOHMANN
hamburg
www.c15-hamburg.de
portraits.
1st of april until 25th of august, 2011
1. april bis 25. august 2011
The exhibition portraits of photographer and conceptual artist Traubenberg deals with the perception of self-view and is thus able to deal with the individual existence. In the photographs, video-audio clips and installations, the viewer will be encouraged to reflect on their own inner pictures and movies.
Focus of the show will be the new series texture | portraits. These are portraits of famous film photographers (from: “contact sheets”, Arte 1988-2004) transformed to structural black and white works. Excerpts from the film portraits are transcribed by short texts, which are superimposed, interwoven and condensed into new structures. In addition, the installation project ein|a portrait – imaging yourself is presented. Recent video works in the thematic context complete the presentation.
Exhibition catalog with an essay by Hajo Schiff.
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Die Ausstellung portraits des Fotografen und Konzeptkünstlers falk von traubenberg setzt sich mit der Wahrnehmung, der Selbstsicht und damit nicht zuletzt mit der individuellen Existenz auseinander. In den Fotoarbeiten, Bild-Ton-Sequenzen und Installationen werden die Betrachter zur Reflektion ihrer eigenen, inneren Bilder und Filme angeregt.
Schwerpunkt der Schau wird die neue Serie textur | portraits sein. Dabei werden Filmportraits bekannter Fotografen (aus: „Kontaktabzüge“, arte 1988 – 2004) zu strukturellen Schwarz-Weiß-Arbeiten transformiert. Ausschnitte aus den Filmportraits werden in kurze Texte transkribiert, die sich überlagert und verdichtet zu neuen Strukturen verweben. Außerdem wird das Installationsprojekt ein|a portrait – imaging yourself gezeigt. Aktuelle Videoarbeiten im thematischen Kontext runden die Präsentation ab.
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit einem Text von Hajo Schiff.
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falk von traubenberg – portraits
Ausstellung in C 15 – SAMMLUNG ULLA UND HEINZ LOHMANN
Einführung von Hajo Schiff
In dieser Ausstellung geht es um eine der würdigsten und der mit am längsten in der Kunst vertretenen Bildgattungen: Dem von allen Auftraggebern seit je geschätzten Porträt und darüber hinaus dem besonders von den Connaisseuren der Kunst und ihrer Geschichte geschätzten Künstlerselbstporträts.
Allerdings sieht die Ausstellung kaun danach aus. Das, was hier zu sehen ist, unterscheidet sich ziemlich deutlich von würdevollen, nach tagelangen Sitzungen angefertigten repräsentativen Bildern im schweren Goldrahmen. Auch sind keine, immer und immer wieder zweifelnd skizzierten Erfassungsversuche der eigenen Erscheinung zu finden, wie sie Rembrandt oder van Gogh zeitlebens erstellten.
Mag Falk von Traubenberg mit jenen auch diese kritische Selbstbefragung – und die kritische Befragung seines fotografierten Gegenübers – gemein haben, so geht seine Kunst doch weit über das Abbild hinaus, sei es auch noch so stark mit Interpretationen aufgeladen und aus der Abbild-Ebene in eine Ebene der Formbefragung verschoben, wie es die Moderne des 20. Jahrhunderts geleistet hat.
Die Porträts von Rembrandt bis zum Expressionismus, sie alle sind Abbilder eines menschlichen Kopfes. Von der späten römischen Republik bis zum heutigen elektronisch bestückten Personalausweis scheint der Kopf mit seinem Gesicht hinreichend, das spezielle Individuum auszudrücken. Porträt meint fast immer Kopfbild oder Büste. Aber so gewohnt das ist, so ist es doch keineswegs selbstverständlich. Drückt sich die Person nicht auch in ihrem Körper, ihrer Haltung, ihrem Kleidungstypus, ihren Attributen, ja bis hin zum gesamten Lebensumfeld aus? Speziell im Barock weiß man um die Sprache des Dekors und für den auf Körperrepräsentation erzogenen Adel muss ein Porträt, sei es von Velasquez oder Gainsborough, ein Ganzkörperbild sein, samt Pferd und Lieblingshunden, Familienmitgliedern und allegorischem Beiwerk. … wäre übrigens nett, sich Ausweisbilder in dieser Tradition vorzustellen….
Stattdessen aber werden die Erkennungsbilder immer weiter international standardisiert. Dabei ist in unserer Zeit ein einziges Porträt-Bild einer Person eigentlich obsolet. Wir definieren uns wesentlich durch Netzwerke: eine Momentaufnahme – sei sie auch technisch und künstlerisch noch so perfekt – erscheint uns nicht mehr als repräsentativ, sondern als eher zufällig und nicht mehr auf Dauer gültig. Auch Falk von Traubenberg zweifelt an der Gültigkeit eines einzigen Bildes, er bricht und vervielfacht es und verweigert in den leuchtenden Porträtarchiven das Bild sogar ganz.
Ein professioneller Photograph, ein Photokünstler, verweigert uns das einfache Abbild, spielt es uns in die Vorstellung zurück, in die Notwendigkeit der Erinnerung. Er zeigt, wie obsolet es ist, immer wieder neue Porträts zu machen, wie es im heutigen Alltag in allen nur denkbaren Situationen geschieht. Schließlich haben fast alle immer eine bildproduzierende technische Einheit dabei – man mag ein Mobiltelephon ja nicht wirklich eine Kamera nennen.
Besonders auf Reisen wird pausenlos fotografiert. Der Reisende macht Bilder und er sieht die anderen Bilder machen. Auf den Bildern sind vielleicht unabsichtlich, aber unvermeidbar andere Touristen, die Bilder machen. Manche Einheimische fotografieren mit den Mobilphon-Kameras zurück und die Photographierenden werden beim Photographieren photographiert. Wo bleiben alle diese Bilder? Unmengen von Archiven werden aufgebaut und elektronische Speicher abgefüllt: Virtuell ist die Welt schon x-fach kopiert. Und alles ruft: Seht her! Das sind wir, das bin ich, da an dem Abend, als … , na, ja, das war richtig gut…
Ein Dokument! Ein Dokument einer besonderen Stimmung, eines Besuchs an einem besonderen Ort, ein Bild mit einer anderen besonderen Person. Und in dieser Vielfallt sind diese Dokumente doch wieder ganz beliebig. Zudem sind die Dokumente längst durchsetzt mit Fälschungen. Und auch die Fälschungen dokumentiert. Doch erstaunlicherweise ermüden die Augen kaum. Sie suchen süchtig immer neues Bildfutter, anscheinend gänzlich unbelastet von dem Phänomen dass „bloß alles“ in seiner Ununterscheidbarkeit gleichbedeutend mit „gar nichts“ ist.
Jedes tragbare Telephon kann Bilder machen und PDF-Dateien reisen in Sekundenschnelle um die Welt: Schiere Flut spült fällige Fragen fort. Dabei waren philosophische Diskurse über das Wesen der Bilder einst von höchster Bedeutung: Im byzantinischen Bilderstreit kämpften im 8. Jahrhundert ganze Armeen für und wider die Bilder. Es ging um die Wertung der Ikonen: Waren sie Teil des Urbildes – also heilig – oder waren sie nur teuflische Schemen, die das Heilige verstellten? Weniger religiös betrachtet wurde darum gestritten, was überhaupt ein Bild zeigt: Ist es wesenhaft mit dem Abgebildeten verbunden oder ist es nur dessen Repräsentanz? Wie später in den ähnlich grundsätzlichen Auseinandersetzungen der Reformationszeit haben letztlich immer die Bilderfreunde, die Ikonodulen gewonnen. Aber um den paradoxen Preis, dass die Bilder eben nicht so wichtig sind, dass sie beliebige Bilderzählungen sind – bloß machtlose Formen, ohne die Kraft, Realität und Verehrung zu erzwingen, analog zum Dargestellten, aber nicht beseeltes Teil davon. Und doch liegt der Reiz aller Bilder genau darin, an ihre magische Macht zumindest augenzwinkernd zu glauben – das war nicht nur der einzigen, der katholischen Kirche wichtig, davon lebt die ganze Werbebranche. Gerade hat ein Doyen der Kunstgeschichte, Professor Horst Bredekamp von der Humboldt Universität Berlin, in seinem neuesten Buch „Theorie des Bildakts“ vehement und mit fast religiösem Unterton vertreten, dass Kunstwerke (und alle als solche angesehenen Artefakte) eine über jede spezifische, rezipientenbestimmte Interpretation hinausgehende, wirkmächtige Wesenhaftigkeit haben: Vielleicht nur ein Versuch, die Kunst vor der galoppierenden Beliebigkeit zu retten, die sie zu vernichten droht. Dafür ein aktuelles Beispiel: Jetzt auf der Biennale in Venedig hat der populistische Kunstgeschichtler und Berlusconi-Freund Vittoro Sgarbi über 200 Künstler in den italienischen Pavillon eingeladen und dazu weitere 200 Kunststudenten mit ihren Arbeiten in die Biennale integriert – eine pseudodemokratische, geradezu inflationäre Entwertung aller Auswahl- und Bedeutungs-Kriterien.
Bloß eine Bildlawine loszutreten war gewiss nicht die Absicht der Photographie in ihren Anfängen. Vielmehr war sie einst stolz darauf, die Welt mit technischen Mitteln objektiv zu dokumentieren. Doch Objektivität ist so eine Sache: Es gab im Abbildungsprozess schon immer die Möglichkeit der Manipulation. Und spätestens seit den unerschöpflichen Möglichkeiten der Digitalisierung kann ein Foto zum frei erfundenen Bild werden. Und der Fotograf wird zum subjektiven Künstler.
Der Künstler-Fotograf Falk von Traubenberg sperrt die Ergebnisse einer ausführlichen und intensiven, in diesem Sinne ganz traditionellen Portrait-Session in ein Einmachglas ein. Der Fotograf weiß um die vielen Facetten des Gegenübers. Deshalb muss der portraitierte Mensch auf die eine ausgewählte, optimal inszenierte, einzige Hochglanz- Repräsentation verzichten: Sein Portrait ist der ganze Film der jeweiligen Sitzung. So verschwindet das Porträt aus der jeweiligen besonderen Ausformung in die zwar umfassendere, aber auch schwerer zu fassende Potentialität der Abstraktion. Nicht mehr das Bild einer integralen Persönlichkeitsbehauptung wird präsentiert, sondern höchst zeitgemäß ein vielfach zersplittertes Bild in Form eines Archivs. Dass Falk von Traubenberg sich dabei des guten alten Mittels des Diafilms bedient, liegt schlicht daran, dass auch der Verweis auf nicht mehr Sichtbares einer materiellen Form bedarf, um sichtbar zu werden.
Die nicht mehr bildlich zugänglichen Persönlichkeitsoptionen entfalten aber durchaus eine Wirkung: Die Intensität der Vorstellungskraft wird verstärkt durch das Licht der Neonröhren – eine bei aller Sachlichkeit durchaus auch magisch zu denkende Ausstrahlung.
Dass ein Einzelbild lügt, dass erst die Summe der Bilder etwas wesenhaft beschreiben kann, sei es im kühlen Archiv oder in der schnellen rhythmischen Addition der mit seinem Selbstportrait gemachten Fotofilme, ja dass in dieser Lücke der Darstellungen die bloße Vorstellung von etwas oder einer Person intensiver und realer ist, als es ein einzelnes Bild sein kann – das ähnelt verblüffend der Argumentation der Ikonoklasten, der historischen Bilderfeinde, die in paradoxer Umkehr doch die auf die Wirklichkeit wirkende magische Funktion der Bilder nur verdammen, weil sie sie so ernst nehmen.
Im Nicht-Gezeigten und in der Lücke zwischen den Bildern blüht die Phantasie, im Unbestimmten, gewöhnlich als Fehler Unterdrückten oder scheinbar Verunglückten zeigen sich verborgene Codierungen. Schon Verknäuelungen, Überlagerungen und selektive Vergrößerungen können ein Bild verfremden und vertiefen. Viel mehr noch die Manipulationen, die Falk von Traubenberg bei seinen „Interform Portraits“ anwendet: Er beeinflusst einen Scanner so, dass die elektronisch-elektrische Maschine gegen ihren bloß praktischen Zweck neue Bilder produziert. Ein absichtlich herbeigeführter Fehler öffnet einen sonst verborgenen Spalt zu einer fremden Bildwelt. Wie die Musik nicht ohne ihr scheinbares Gegenteil, die Stille funktioniert, macht erst die bewusst genutzte Fehlfunktion das neue Bild. Ein zwar veranlasster, aber in mancher Hinsicht auch maschineneigen „selbstständiger“ Prozess macht aus einer schwarz-weißen Vorlage ein farbiges Bild oder aus eingespeister Schrift architektonisch-abstrakte Bildraster. Indem Falk von Traubenberg über den üblichen Nutzen hinaus der Maschine eine sonst unterdrückte „Kreativität“ entlockt, gibt er der kalten Technik eine nahezu magische Qualität.
In seiner Serie „Textur“ verarbeitet Falk von Traubenberg die „Kontaktabzüge“ betitelte „Arte“- TV-Serie, in der Fotografen jeweils 15 Minuten aus dem Off zu ihren Bildern sprechen. Diesen Text setzt Falk von Traubenberg erneut ins Bild: Bei ihm wird auch die Sprache wieder Bild, wenn auch ein hoch abstraktes. Ähnlich dem Paradox, dass gerade die äußerste künstlerische Abstraktion in fast religiöser Weise auf die Transzendenz verweist, füllen sich auch die kühlen Abstraktionen Falk von Traubenbergs mit der Sinnsuche der Betrachter: Wenn unterschiedlich sich verdichtende, schwarz-weiße Rasterbilder durch ihre Titel auf große Fotokünstler wie Bernd und Hilla Becher, Henri Cartier-Bresson, auf Helmut Newton oder Hiroshi Sugimoto verweisen, in welcher Weise ist dann deren Werk in das vorliegende Foto-Schrift-Bild eingeschrieben?
Solche Fragen zeigen angesichts der technisch hergestellten, jenseits des Konzepts auf individuelle Handschrift verzichtenden Arbeiten Falk von Traubenbergs deren geradezu enigmatischen Charakter. Und wie es mit Hilfe der berühmten Enigma-Maschine möglich ist, Texte zu verschlüsseln – und zu entschlüsseln – so bietet Falk von Traubenberg mit Hilfe der heutigen digitalen Bilderzeugungsmaschinerie hochgradig komplex verschlüsselte Informationen – und das gerade in dem Medium Photographie, als dessen Leistung einst die treue Abbildung der Realität behauptet wurde.
Mit seinen künstlerischen Porträt-Arbeiten forscht der gelernte Architekt und Architekturfotograf intensiv an den Grundlagen der Bilderzeugung und Bildbedeutung. Mal verweigert er ikonoklastisch das Abbild, mal sucht er ikonodulisch nach verborgenen Bildoffenbarungen. Doch dergleichen Theorie ist keineswegs spröde, sondern bringt neues Augenfutter: Die am Bild des Menschen entwickelten theoretischen Reflexionen Falk von Traubenbergs führen nicht in unendliche Archive, sondern finden eine ästhetische, ja hochglänzende Form. Und sie dynamisieren sich zu den „Fotomationen“, jenen hochkomplex montierten Fotofilmen, wie Sie in speziell konstruierten „Wunderkisten“ gezeigt werden. Dort scheint der Fotokünstler sich an seinen berühmteren Kollegen dahingehend abzuarbeiten, das er im Quadrat eingesperrt in rasender Geschwindigkeit die Positionen wechselt, während der immer schneller und intensiver werdende Sound aus den Stimmen der 33 maßstabsetzenden Vorbilder montiert ist.
Hajo Schiff, Hamburg © 2011